Neue Gentechnik in der Landwirtschaft – Chancen und Risiken: Deregulierung neuer Gentechnikverfahren geplant

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»Neue Gentechnik in der Landwirtschaft – Chancen und Risiken«

.»Deregulierung«
neuer Gentechnikverfahren
auf EU-Ebene geplant

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Region Bayern – Zum Thema »Neue Gentechnik in der Landwirtschaft – Chancen und Risiken«, lud kürzlich die »Zivilcourage Miesbach« – ein Bürgerbündnis im oberbayerischen Landkreis Miesbach – zu einer Informationsveranstaltung mit Diskussionsrunde ein. Mit dabei waren unter anderem Vertreter der Politik wie Maria Noichl (Europaabgeordnete der S&D Fraktion), Karl Bär (Bundestagsabgeordneter Bündnis90/Die Grünen), Dr. Susanne Lehmann-Brauns (CSU) sowie Annemarie Volling von der »Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft« (AbL) und Dipl.agr.Ing. Georg Brand.

Grundsätzlich kritisierte Rüdiger Obermaier – von der Zivilcourage – die Geschwindkeit und Härte, mit der die derzeitige dänische EU-Ratspräsidentschaft eine »Deregulierung« für über 90 Prozent der NGT Pflanzen (Neue Gentechnik, Genome-Editing) beschließen wolle, ohne die europäische Bevölkerung ausreichend über den Sachverhalt oder auch Konsequenzen zu informieren. Eine »Deregulierung« bedeute, dass bei der Arbeit mit artgleichen Genen keine Deklarationspflicht, keine Überprüfungen und Risikobewertungen mehr durchgeführt werden müsse. Somit könne der Verbraucher nicht mehr nachvollziehen, ob ein Nahrungsmittel mit genveränderten Rohstoffen hergestellt wurde, also die Wahlfreiheit des Verbrauchers verloren geht. Obermaier bemängelte ferner, dass es einigen darum gehe, schnelle Geschäfte abzuschließen, ohne Beeinträchtigungen oder Schädigungen der Natur oder der Landwirtschaft in Betracht zu ziehen.

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Die Schirmherrschaft der Veranstaltung hatte Jens Zangenfeind, Bürgermeister der Gemeinde Hausham und stellvertretender Landrat des Landkreises Miesbach übernommen. Dieser dankte der Zivilcourage für ihren bereits 18 Jahre dauernden Einsatz rund um Themen bezüglich der Gentechnik im Agragbereich, des Erhalts der Kulturlandschaft, der bäuerlichen Land- und Almwirtschaft sowie für Artenschutz und Artenvielfalt. »Es geht euch darum, dass wir auch für die nächste Generation eine lebens- und liebenswerte Landschaft erhalten. Dafür haben die früheren Generationen hart gearbeitet, dass es uns heute so gut geht. All diese Leistungen und die Werte sollen an die nächste Generation weitergegeben werden«. Ferner betonte er die Wichtigkeit, die freie Wahl beim Einkauf von Lebensmitteln zu haben und zu wissen, welche Stoffe im Essen enthalten seien.

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Jens Zangenfeind betonte unter anderem: 
»Wichtig ist es, die freie Wahl beim Einkauf von Lebensmitteln zu haben und zu wissen, welche Stoffe im Essen enthalten sind«

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Annemarie Volling erklärte, dass auf EU-Ebene ein neues Gesetz im Umgang neuer Gentechnikpflanzen beschlossen werden solle, bei dem 20 unterschiedliche Gentechnikeingriffe pro Pflanze erlaubt seien und Kennzeichnungspflichten oder Risikobewertungen entfallen würden. Demgemäß fielen rund 94 Prozent der neuen Gentechnikpflanzen unter dieses neue »Deregulierungsgesetz« – was nichts mit dem derzeitig Aktionismus der Entbürokratisierung zu tun habe. Volling betonte, dass Gentechnik nichts mit Züchtung gemein hätte und es bei gentechnisch veränderten Pflanzen bei Ausssaat ins Freie zu unerwarteten Effekten in Natur, Tier- und Umwelt kommen könne, welche nicht wieder rückgängig gemacht werden könnten. Käme das Gesetz durch, wäre »gentechnikfreie Landwirtschaft« nicht mehr möglich, es gäbe keine Abstandspflichten und Auflagen mehr, die Schutzmaßnahmen für den Ökolandbau würden wegfallen, Risiken bei Nachzüchtungen wären bedenklich und da die Rückholbarkeit nicht möglich sei, wären Haftungsschäden nicht zu regulieren, da nicht versicherbar. Zu bedenken sei auch, dass sich resistente Unkräuter und Schädlinge als »Nebenprodukte« entwickeln könnten.

Auch dürfe es weder Patente auf konventionelle noch auf gentechnisch veränderte Pflanzen, sondern lediglich auf die Verfahren geben. Die »Deregulierung« beende die Selbstbestimmung und die Wahlfreiheit der Verbraucher, die Gentechnik würde sodann allen aufgezwungen. Auf diese Weise würde es beispielsweise bei Verfütterung gentechnisch veränderten Futtermitteln keine gentechnikfreien tierische Erzeugnisse – wie Eier und Milch – mehr geben. Ferner sei das Versprechen der Gentechnikindustrie, dass es »bald« trockenheitsresistente Pflanzen geben werde, nicht erfüllbar, da Pflanzen unterschiedlich auf Trockenheit reagierten. Fakt sei, dass das Hungerproblem nicht mit gentechnisch veränderten Pflanzen zu lösen sei, sondern mit Zugang zu sauberem Wasser, keimfähigem Saatgut und Land zum Bewirtschaften. Außerdem gab Volling nochmals zu bedenken, dass bei der Durchsetzung des »Deregulierungsgesetzes« bestehende Märkte und Firmen zerstört, Inovationen verschwinden und die Risikoprüfung bei 94 Prozent der Pflanzen wegfallen würden. Sie plädierte dafür, dass die EU das bestehende Gentechnikrecht behalten und Patente auf Pflanzen verboten werden sollten.

Zum Thema »Agrargentechnik« sprach Georg Brand, welcher nach eigenen Angaben weder Forderungen noch Interesssen an Gentechnik habe sondern nur ein Privatmann sei, der seine Meinung der Öffentlichkeit kund gebe. Er sei bekennender Befürwörter der »Neuen Gentechnik in der Pflanzenzucht« und spannte einen Bogen von der Klimakonferenz zum gestreßten Regenwald bis hin zum Import von Futtermitteln, was eine enorme Ackerfläche zum Anbau der Pflanzen benötige und die Abholzung des Regenwaldes zur Folge hätte. Würde man nun keine Futtermittel mehr kaufen und auf Fleisch verzichten, so würden die Proteine fehlen. Diese könnten man zwar durch den Anbau von »Leguminosen« ausgleichen, was in dieser Menge wiederum viele Flächen für Ackerbau verbrauchen würde, spekulierte Brand. Weitere Probleme, neben dem Klimawandel, seien der Artenschwund, was auf die landwirtschaftliche Nutzung zurückzuführen sei, das globale Ernährungsproblem, was u.a. durch die Wanderwellen der Bevölkerung verschlimmert würde. Als Konsequenz darauf müßte man also auf möglichst kleiner Fläche einen möglichst großen Pflanzenertrag erwirtschaften. Es würden ertragsreichere Sorten benötigt, denn der Einsatz von Chemie und Düngung hätten auch keinen Mehrertrag gebracht, daher solle die Pflanzenzüchtung auf ertragreiche Sorten hochgefahren werden. Hierbei verwieß Brand auf moderne Techniken, die mit Analysemethoden und mit markergeschützter Selektion bis hin zu Mutationszüchtungen zusammenhängen würden. »Wir lösen Mutationen in der Pflanze aus, allerdings ungezielt. »Wir machen das in der Züchtung mit dem Einsatz von chemischen Präparaten und Bestrahlungen und hoffen, dass dann in dem Material die gewünschten Eigenschaften entstanden sind und suchen nach der Pflanze aus der Kreuzung oder nach der Aufspaltung, welche die gewünschten Eigenschaften hat. Es wäre schön, wenn man ein zusätzliches Instrument zur Verfügung hätte, was im Werkzeugkasten der Pflanzenzüchter das ganze beschleunigen könnte, um schneller beispielsweise auf neue Schädlinge, wie bei den Zuckerrüben gehabt, reagieren zu können und gezielter zu Ergebnissen zu kommen. Dann müßte man auch nicht mehr auf Insektizide zurückgreifen«. Weiter erklärte Brand: »Die Position des Bundesverbandes der Pflanzenzüchter ist, dass wir auch mit den neuen bionischen Techniken keine Patente wollen. Wir wollen weiter ein uneingeschränktes Züchterprivileg, dass der Pflanzenzüchter jede Sorte, die vom Bundessortenamt zugelassen ist, auch für weitere Züchtungen einsetzen und Kreuzungen durchführen kann und neue
eigene Sorten entwickelt. Es ist Aufgabe der Politik, das Patentrecht und das Sortenschutzrecht demgemäß so zu gestalten, dass es so erhalten bleibt«. Er wies auch auf die Notwendigkeit von gentechnisch veränderte Pflanzen in der Zukunft hin, äußerte jedoch auch sein Verständnis bezüglich der Verbraucher nach dem Wunsch von gentechnikfreien Lebensmitteln, bekannte jedoch, dass gentechnikfreie und gentechnisch veränderte Lebensmittel nicht voreinander zu unterscheiden seien. Ausserdem führe Deutschland genmanipulierte Futtermittel aus den USA, Brasilien und Argentinien sowie auch Baumwolle, ein, was eine Komplettverweigerung der Gentechnik unmöglich und problematisch mache.

Bei der Diskussionsrunde, moderiert von Christian Selbherr (Redakteur und freier Journalist), ging der Fokus auf das Hungerproblem in der Welt. Dies sei kein Problem der Erwirtschaftung der Menge an Lebensmitteln und da hilft Gentechnik auch nicht«,  erklärte Maria Noichl. Dem pflichtete Brand bei und sagte, dass die Nahrungsmittelverschwendung angegangen werden müsse, denn es würden jährlich elf Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Trotzallem seien gentechnisch veränderte Pflanzen die Antwort, da die Anbauflächen weniger werden und der Verbrauch steige. Annemarie Vollmer erwiderte, dass die Auswirkungen auf Natur, Tier- und Pflanzenwelt von gentechnisch veränderten Pflanzen erst überprüft werden müssten, da es keine Vergleichbarkeit und Rückholmöglichkeit gebe. Es sei auch zu bedenken, dass die deutschen Züchter zuerst vom Markt wegfallen würden, wenn gentechnisch verändertes Saatgut importiert werden würde, da die Forschung hierzulande zu teuer wäre. Ausserdem sei Gentechnik nicht nötig. Konfentionelle Züchtungen würden erst in geschütztem Rahmen, dann im Anbau erprobt und selektiert, was Natur und Umwelt nicht schädlich beeinträchtigen würde.

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Die Podiumsdiskussionsteilnehmer v.l.: Maria Noichl (Europaabgeordnete der S&D Fraktion),
Karl Bär (Bundestagsabgeordneter Bündnis90/Die Grünen), Annemarie Volling von der »Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft« (AbL),
Christian Selbherr (Redakteur und freier Journalist), Dipl.agr.Ing. Georg Brand und Dr. Susanne Lehmann-Brauns (CSU) 

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Maria Noichl erläuterte, dass der Europäische Gerichtshof entschieden habe, dass die neue Züchtungsmethode als Gentechnik einzustufen sei, der Kurs der Europäischen Kommission aber auf »Deregulierung« stehe. Für den 3. Dezember 2025 sei das Treffen des EU-Trilogs (EU-Parlament, Rat und Kommission) angesetzt, wobei die dänische Präsidentschaft die »Deregulierung« mit aller Macht durchsetzen wolle.

Bundestagsabgeordneter Karl Bär erwähnte, dass vier Ministerien bei diesem Thema beteiligt seien und dass eine »Enthaltung« für Deutschland ein guter Schritt sei. Es sei zu bedenken: »Steht die Macht bei den Interessen auf Seiten des Geldes oder der Bevölkerung?«. Dr. Susanne Lehmann-Brauns gab zu, dass dies ein schwieriges Thema sei, was viel Erfahrungswissen bezüglich der Patentierung von Saatgut nötig habe, was jedoch an der Vergangenheit zu sehen sei und befürtwortete den verantwortungsvollen und -bewußten Umgang der Forschung mit Gentechnik und regte an, dass Forschungsergebnisse für Verfahrensentwicklungen patentiert werden sollten, damit diese nicht aus dem Land kämen.Weitere Diskussionspunkte waren beispielsweise die »Prüfverfahren neuer Gensorten«, wobei Maria Noichl zu bedenken gab, dass die eigenen Überwachungslabore diese Aufgaben nicht erfüllen könnten. Bei der Frage nach den Patentierungen unterstrich Noichl, dass erst die einzelne Schrittfolge der Patentierung geklärt werden müsse. Vom Publikum kam die Antwort, dass es Patente auf Leben nicht geben dürfe.

-am- Bilder: am

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